Veranstaltung am 11.9.2008 / Science Busters, Lustspielhaus, München
Endlich, endlich, verschaft einmal jemand meinem Studienfach seinen Platz auf der Bühne. Physikalisches „Edutainment“ hat sich das Wiener Trio der „Science Busters“ auf die Fahnen geschrieben. Und sich als Thema des Abends – schon des Datums wegen – die Verschwörungstheorien vorgenommen.
Die Besetzung verspricht Kompetenz in Unterhaltung und in Physik: Denn mit Martin Puntigam tritt ein vielfach ausgezeichneter Kabarettist auf die Bühne, dem mit Professor Heinz Oberhummer und Univ. Lekt. Werner Gruber zwei echte Physik-Dozenten der Wiener Universitäten zur Seite stehen. In dieser Echtheit liegt aber auch das große Problem des Abends: Die beiden Wissenschaftler sind nämlich auf der Bühne genauso echt wie im Hörsaal. Der konzeptionelle Unterschied zu einer gewöhnlichen Vorlesung besteht also nur in Puntigam, der als Moderator den Abend vorwärts treibt und den Dozenten mit bösen Fragen und spitzen Kommentaren in die Paraden fährt.
In vorlesungsbewährter Weise bewegen sich alle drei zwischen Leinwand, Pult und Experimentiertisch. Manchmal gelingen dort experimentelle Geniestreiche, wenn etwa Gruber mittels Sand, Papp-Astronauten und dem Theaterlicht beweist, dass auch im Sonnenlicht nicht alle Schatten gleich sind – und so in der Sandkiste eine der impertinentesten Verschwörungstheorien zur Mondlandung der Amerikaner widerlegt.
In anderen Augenblicken aber wird großer Aufwand mit wenig Wirkung betrieben – z.B. indem in einer infernalisch lauten Filmeinspielung der nackte Arnold Schwarzenegger als Muster-Außerirdischer über die Leinwand grunzt. Entsprechend unterschiedlich bleibt der Lerneffekt: Einiges ist auch für unvorbelastete Beobachter zu verstehen, andere Themen sind so gewählt, dass sie in einem Atemzug auch gar nicht verständlich zu erklären sind. Und manches ist auch nur als Schock- und Ekel-Effekthascherei zu begreifen.
Nach den Maßstäben der Unterhaltung beginnt irgendwann die Beweglichkeit und Wandelbarkeit der Figuren zu fehlen. Gruber doziert stets raumgreifend, Puntigam spöttelt unentwegt und Oberhummer hält sich mit klugen, aber seltenen Beiträgen sehr im Hintergrund. Das ist schade, denn eigentlich böten die häufig diametralen Weltsichten von Physikern und „normalen Menschen“ reichlich Gelegenheit, Konflikte auszutragen.
So werden die behandelten Verschwörungstheorien vom Blutwunder über den 11. Sptember bis zur Auslösung des Weltuntergangs im CERN nur von ihrer technischen Seite betrachtet. Ihr schillerndes Wechselspiel aus wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit und menschlichen Urängsten bleibt weitestgehend außen vor. Auch der Umstand, dass sich mit Oberhummer ein Theoretiker und mit Gruber ein Experimentator gegenüberstehen und sich diese Spezies in freier Physiker-Wildbahn stets höchst skeptisch als „substanzlose Spinner“ bzw. „ideenlose Klempner“ betrachten, wird nur am Rande thematisiert.
Nachdem sich Rauch und Flammen der Schlussnummer verzogen haben, gibt es vom Publikum – in dem diesmal erstaunlich viele blässliche Brillenträger zu finden sind – einen sehr dankbaren Applaus. Physik und Unterhaltung müssen sich also doch nicht abstoßen wie zwei gleich geladene Teilchen. Womöglich könnten beide Disziplinen aber noch von interessanteren Bühnenfiguren, einem didaktischen Konzept und einer stärkeren Verflechtung mit dem „unwissenschaftlichen Denken“ profitieren.