The Blög is böck!

Irgendwie muss ich irgendwo im Web-Interface irgendwann in den entrückten Vor-Pandemie-Zeiten irgendeinen falschen Knopf gedrückt haben. Und Zack! Schon war der Grög!-Blög mit allen (weit überwiegend) glücklichen Kulturerinnerungen ins digitale Nirwana verpufft. Tragisch. Aber wie lautet die allererste IT-Weisheit: Kein Backup – kein (Selbst-) Mitleid!

Also habe ich den Verlust still ertragen. Bis ich – dem „Ihre-PHP-Version-ist-veraltet-Gequengel“ meines Providers sei dank – wieder in Kontakt mit meiner fabulösen IT-Administröse Jeannette Kummer (erdgeschoss.net) geriet. Die hat mir mit der Web-Präsenz der Physik des Scheitern ein virtuelles Bollwerk geschaffen, das meinen sämtlichen Fehlbedienungen nun schon ein gefühltes Jahrzehnt lang standgehalten hat. (Außerdem legt ihre Installation automatisch selbst Backups an…)

Als ich Jeanne dann vom Blög-Exitus klagte, erschnüffelte sie promt im Labyrinth der All-inclusive-SQL-Datenbanken meines Providervertrags so etwas wie die zermahlenen Splitter meiner Blög-Einträge. Also zettelte sie eine Seance (Foto) mit ihrem offenbar IT-spirituell hochbegabten Medium Paolo (https://paolocoppo.com/) an – und wenig später meldete sich der Grög!-Blög mit der automatischen Warn-Email, er sei wohl gerade gehackt worden aus dem Jenseits zurück. Mir erscheint das alles in etwa so wie die Leistung, aus einer Tüte Semmelbrösel wieder ein resches Brötchen zusammenzupuzzeln.

Jetzt bin ich natürlich in der Pflicht, auch wieder frischen Belag aufs Brötchen zu schmieren. Ich habe diesbezüglich die besten Vorsätze (auch bezüglich der Backups).

Ganz vielen Dank an Jeannette und Paolo und: The Blög ist böck!

BLAM! BLAM! Baller-baller: Baader-Meinhof reloaded.

Veranstaltung am 04.10.2008 / Der Baader Meinhof Komplex, derzeit in viel zu vielen Kinos
Baader Meinhof
Wenn ein „zeitgeschichtlicher Dokumentarfilm“ (BLAMM!) mit einem Trailer im Rambo-Terminator-Stil (RATATATATATA!) angekündigt wird und selbst Ex-RAFie Peter-Jürgen Boock im Radiointerview die unreflektierte Gewalt bemängelt, dann hätte ich eigentlich gewarnt sein müssen. Aber ach, der linksintellektuelle Bildungskanon …

Also habe ich nach dem Trailer auch den Film selbst angesehen. Den Unterschied aber zunächt gar nicht bemerkt: Hektische Schnittfolge (ZOSCH!), schmerzhaft übersteigerte Geräusche (RUMMS!) und Effektgewitter (BLAFF!) toben hier nämlich genau so ununterbrochen wie im Trailer – der einzige Unterschied ist, dass das Inferno diesmal eben 150 Minuten lang andauert.

Zusammengetragen – oder besser formuliert – zusammengeschossen wird so ziemlich die komplette bewegte Handlung aus Stefan Austs gleichnamigem Standardwerk. Dabei bleibt ob des enormen Massakrierungs-Arbeitspensums von Benno Ohnesorg (PENG!) bis Hanns Martin Schleyer (PAFF!, PAFF!, PAFF!) schlicht keine Zeit für irgendwelche Nachdenklichkeiten. Einzig Ulrike Meinhof bekommt anfangs einige Minuten zugebilligt, um so etwas wie den Ansatz eines Charakters zu entwickeln. Später wird dann aber auch ihre halbjährige Zermürbung in der Isolationszelle filmisch in der Texteinblendung „sechs Monate später“ zusammengefasst.

Was die Beteiligten auf beiden Seiten also zu ihrem blutigen Handeln treibt, wie ebenso unter den Terroristen wie bei Polizei und Sicherheitsbehörden die Hardliner gegen die Gemäßigten anrennen oder gar die Verstrickungen der beiden Seiten – z.B. durch den V-Mann Peter Urbach – das bleibt in der grell bebilderten Gewaltspirale total im Dunkeln.

Gegenüber anderen, noch grausigeren Splatter-Dokus ist immerhin positiv anzumerken, dass sich das filmische Gemetzel zumindest einigermaßen an die belegten Fakten hält. Aber das dürfte dem Duo Edel-Eichinger leicht gefallen sein, weil die Vorbilder ja zum Glück auch in der Wirklichkeit genug geballert und gefickt (laut Baader gilt ohnehin: „Ficken und Schießen sind ein Ding.“) haben, um einen marktgängigen Spielfilm voll zu bekommen.

Was also in der Summe herauskomt, ist eine mehrstündige Aktenzeichen-XY-Dauerrotation (und zwar ohne ein Atemholen mit Pausenclown Eduard). Allerdings hatte das Aktenzeichen immerhin den Anspruch, die niederen voyeuristischen Instinkte des Publikums für die Verbrechensaufklärung zu instrumentalisieren – eine Legitimation, die dem Edelschen Gemetzel eben fehlt. Deshalb fällt es dann besonders unangenehm auf, dass kein einziges der Terroropfer über der Rolle einer Schießbuden-Figur heraus kommt und auch die Mehrzahl der Terroristen nur als Kugelfang eingesetzt wird.

Es sei der Fairness halber erwähnt, dass die Besetzung (offenbar ein Cut&Paste aus dem Who’s Who des deutschen Films) durchweg hohe darstellerische Leistung abliefert. Aber was nützt das in diesem Fall?

Bleibt als letzte Hoffnung, dass dieser Film zumindest etwas Aufmerksamkeit auf die – ja heute wieder wirklich brandaktuelle – Diskussion über die Hintergründe des Terrorismus lenken wird. Er selbst kann dazu nämlich nichts, aber wirklich gar nichts beitragen.

Last Exit Ebersberg

Veranstaltung am 17.9.2008 / Kulturtage Ebersberg

„Nur fünf Minuten vom S-Bahnhof.“ Mit diesem Argument hatte Ditar Kalaja für sein Gastspiel des Poetry Slams „Freispruch“ im Rahmen der Kulturtage Ebersberg geworben. Ich kaufe also nach der Arbeit für fünf Euro einen Ergänzungsfahrschein zu meiner Monatskarte und bin um fünf nach sieben an besagter Bahnstation, wo das Gleis der Münchner S-Bahn in einem robusten Prellbock endet.

Mit der Fünferbande Manni Eder, Rüdi Lössl, Frank Sohler und einem mir bis heute unbekannten Poeten geht es von dort in den scheunenartigen Veranstaltungsraum. Dort komme ich aber nur physisch an. Was vermutlich daran liegt, dass der Mittwochabend mein fünfter nachtaktiver Tag in Folge ist und es am Abend zuvor bei Sven Kemmlers Premierenfeier doch ein wenig spät wurde (ich war gegen fünf wieder zuhause).

Ich komme dann auch gleich als allererster an die Reihe. Das Publikum (fünfzig Personen auf fünfhundert Quadratmetern) lümmelt sich auf den entlang der Außenwände aufgestellten Sofas und befindet sich somit knapp innerhalb der Hörweite. Nach mir gelingt es Michael Jakob mit einer aktualisierten „Fragenliste“ und „Tofu“ auch das entferntere Publikum zu erreichen. Rudi Lössl und Benni Hakel aka Ernst Froh machen die Viererrunde voll. Meine gefühlte Publikumswertung ist Platz fünf.

Fünf Minuten später bin ich wieder am Bahnhof, fünfzig weitere Minuten dannach sinke ich in einen komaartigen Tiefschlaf. Zum Schluss eine aufrichtige Entschuldigung an alle, die unter meiner Erschöpfung zu leiden hatten und nicht angemessen unterhalten, gewürdigt oder verabschiedet wurden.

Apocalypse? Now?

Weltuntergänge kommen meistens unerwartet und werden von den betroffenen Welten in aller Regel auch im Nachhinein nicht hinreichend reflektiert. Ein Umstand, der dieser Blogbetrachtung besondere Bedeutung zukommen lässt.

Aber schön der Reihe nach: Der Autor kehrt nach einem längeren Arbeitstag heim und findet in der Küche ein Blutbad vor. Leuchtend rot tropft es von Kühlschrank, Kaffeemaschine und Toaster; auf dem Spültisch treibt eine große Lache gleicher Farbe.

In großen Maßstäben denkende Menschen des christlich-abendländischen Kulturkreises erinnern sich in solchen Situationen natürlich sofort an das apokalyptische Schlusskapitel der Bibel – Offenbarung 8, 7:

Der erste Engel blies seine Posaune. Da fielen Hagel und Feuer, die mit Blut vermischt waren, auf das Land.

Dann aber doch erste Zweifel: Warum sollte die Apokalypse ausgerechnet in einer Einbauküche losgehen? Und noch dazu, wenn keiner daheim ist und niemand es merkt?

Und schließlich bricht die naturwissenschaftliche Erkenntnis der Aufklärung durch: Am Vortag wurde bei der Inventur des Gefrierschranks in einem abgelegenen Winkel der untersten Schublade ein Ein-Kilo-Beutel „Feine Obstmischung mit Sauerkirschen“ aus dem guten Jahrgang 2001 entdeckt. Und dieser dann verschlossen auf der Spüle abgelegt, da der Inhalt gefroren nicht in die Komposttonne passen würde.

Offenbar hat im Inneren des Beutels unmittelbar nach dem Auftauen eine – sagen wir – „biochemische Reaktion mit Gasentwicklung“ eingesetzt, deren Zersetzungsgase irgendwann den Beutel gesprengt haben. Eine vorsichtige geruchliche Analyse untermauert diese Theorie. Eine haptische (das „Blut“ klebt sehr stark, gerinnt aber nicht) ebenfalls.

Das Ende der Welt ist also noch nicht erreicht und eine Reinigung des Schauplatzes folglich doch noch lohnend. Endet eigentlich jede große aufklärerische Erkenntnis damit, dass jemand aufwischen muss? Immerhin gibt es doch ein naturwissenschaftlich nicht erklärliches Schicksalszeichen: Der Beutel ist genau in Richtung der pflegeleichten Fliesenwand geplatzt und nicht in Richtung Flur. Ob das nun nun aber schon als Gottesbeweis durchgehen darf …