Blickpunkt Spot in Urlaubsausklangstimmung

Veranstaltung am 1.9.2008 / Vereinsheim, München

Vereinsheim-Logo September – Der Sommer beginnt insgesamt zu schwächeln – und sogar der Blickpunkt Spot, bisher konditionsstarker Sommerloch-Überbrücker im Münchner Vereinsheim zeigt so etwas wie postferiale Erschöpfung: Diesmal ist es nicht ganz so voll, nicht ganz so heiß, nicht ganz so wild wie bei meinem letzten Gastspiel. Ich will eigentlich auch nur still zusehen, darf dann aber kurzfristig doch die humoristische Lücke eines Urlaubsausfalls auf der Bühne auffüllen.

Alles beginnt mit „Stargast“ Florian Schroeder, den man sich vor seinem eigenen Soloprogramm für eine Viertelstunde aus dem Lustspielhaus ausgeliehen hat. Routinierte, ansprechende Comedy – mit Politikern, aber nicht wirklich politisch.

Höhepunkt des Abends ist für mich der Auftritt von Stefan Straubinger. Der wird als bayerischer Volksmusiker angekündigt, packt dann aber mit einer Drehleier und einem Bandoneon nicht wirklich gängige Accessoires dieses Genres aus. Und fegt mit diesem Instrumentarium unter bodenständig klingenden Titeln wie „Jodler“ oder „Zwiefacher“ derart fulminant durch Rock, Jazz und Tango Nuevo, dass man darüber zu grübeln beginnt, ob Keith Richards und Astor Piazzolla nicht zumindest ein Ferienhaus in Bayern gehabt haben müssen.

Das bis dato eher noch urlaubsverkaterte Publikum ist völlig aus dem Häuschen. Moderator Hannes Ringlstetter ordnet von Amts wegen eine Zugabe an. Ich lasse mir hinterher die Drehleier erklären, ein Instrument, das ich bisher als eher behäbig jaulenden Mittelalter-Leierkasten kennen gelernt habe. Stefans Leier aber ist auch technisch im 21. Jahrhundert angekommen: Unter dem Holz verleihen Polyamid-Lager, Körperschall-Pick-up und high-tech-Kunststoffe dem Instrument seine ganz neuzeitliche Agilität und Dynamik.

Des weiteren singen Rickie Kinnen und Kathie Kleff (hintereinander und mit jeweils eigener Männerbegleitung) von der Liebe (ich bin aber unmittelbar vor meinen eigenen Auftritten für’s Sentimentale nie so richtig empfänglich). Irgendwann bin auch ich an der Reihe und Packe mit der „Stimmungsschwankung“ und „Den Butt“ kurzfristigkeitsbedingt zwei alte Schlager aus.

Blickpunkt-Institution Michael Sailer lässt anschließend gewohnt schüchtern-charmant mit stiller, aber erbarmungsloser Sprache seine Schwabinger-Krawall-Protagonisten wieder einmal in wahrlich apokalyptische Verhältnisse hineinstolpern.

Zum Abschluss rückt dann aus der Lach- und Schieß noch Martin Großmann an und teilt Tips für den Haushalt aus: Er erklärt in dramatischer Weise, wie man einen festgesaugten Tintenfisch von der Platte des heimischen Esstisches löst.

Schlussapplaus. Licht an. Alle sind irgendwie zufrieden, aber der übliche euphorische Nachspiel-Exzess bleibt aus. Die Akteure müssen durch die Bank zeitig ins Bett. Wird Zeit, dass sich alle wieder vom offenbar anstrengenden Urlauben erholen.

Power to the Bergbauer: Der Watzmann ruft

Der Watzmann ruft„Hollaröhdulliöh!“ Der Watzmann ruft. Mich einmal wieder als Zuschauer ins Lustspielhaus, wo das „Rustical“ um besagten Berg derzeit auf dem Spielplan steht.

Was passiert? Berg (steil) ruft. Männer (geil) hören, kraxeln und sterben. Das wäre als bekannter Tatbestand zahlloser Heimatfilme nicht weiter neu – wenn nicht das Komponistentrio Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz genau dieses Genre mit Lachsalven unter Feuer nehmen und mit böser Ironie querbeet durch das gebirgige Brauchtumsklischee klettern würden.

So geht am Berghang eine Lawine sämtlicher einschlägigen Schicksals-, Romantik- und Naturstereotypen ab, in deren Verlauf die Besteigungsgelüste der Berganwohner durch die unzweideutige Ankündigung der üppigen „Gailtalerin“, jeden Watzmannbezwinger auch auf ihren weiblichen Gipfeln jodeln zu lassen noch weiter befeuert werden. Keine guten Überlebenschancen also für die von Berg und Busen getriebenen.

Komponist Tauchen steht selbst noch mitten im Spektakel und spielt in mehren Rock- und Lederhosenrollen furios sein Spektrum absurder Figuren aus. Ihm zur Seite steht – abwechselnd als Sohnemann und Liebhaber – Nepo Fitz als Bua, den er bravourös als naiv-eitelen Strahlemann untergehen lässt. Begleitend tanzt drumherum ein beinahe unterfordert erscheinendes Mägdtetrio ein freizügig modernisiertes Volkstanzprogramm und Hannes Ringlstetter lässt als singender Knecht erahnen was herauskäme, wenn man Mick Jagger mit multiplem Discusprolaps in einen Hühnerstall sperren würde.

Gegenüber der von mir vor Jahren besuchten Vorgänger-Inszenierung haben die neuen Bergbesinger vor allem in Punkto musikalischer Perfektion noch einmal zugelegt. Zu sehen gibt es jetzt eine sympathisch handgreifliche Inszenierung, bei der sich das Ensemble dennoch singend und spielend stets auf hohem Niveau bewegt. Das zweistündige Bergspektakel vor der Caspar-David-Friedrich-Fototapete hat vom Live-Rock der vierköpfigen Hühnerband bis zum Cancan des Dirndlballets alles, was ein Musical braucht – und ist dann aber eben doch keins.

Das Publikum darf als Echo und als Bergpanorama mitwirken und hat bei allem ganz großes Vergnügen – und zwar ohne den anschließenden Kulturkater seicht-schwulstiger Musicals. Ein Ereignis also, das auch ohne seinen selbstverständlichen Kultstatus einen Besuch wert wäre.