Bunter als das Bierzelt: Blickpunkt Spot
Veranstaltung am 22.9.2008 / Blickpunkt Spot, Vereinsheim, München
Der erste Oktoberfest-Montag – auch der Blickpunkt scheint unter der magnetischen Anziehungskraft zu leiden, die schlecht gefüllte, aber gut abgerechnete Bierkrüge auf die Münchner zu haben scheinen. Aber so finden die Gäste im Vereinsheim einen klaren Komfort-Kontrast zum Bierzelt vor: Ein eigener Stuhl für jeden, Temperaturen unterhalb des Treibhausniveaus, kein Kondenswasserregen von der Decke … und viel bunter als die Bier-Blasmusik-Monokultur ist der Abend auch.
Alles beginnt wie gewohnt: Michael Sailer schildert in einer weiteren Geschichte aus dem „Schwabinger Krawall“ charmant die Poesie des Scheiterns.
Dann aber die erste Überraschung: der „Pinguin“. Den Darsteller habe ich vor der Vorstellung am Tresen noch als unauffällig angepassten älteren Herren kennen gelernt. Auf der Bühne aber gibt er dem Publikum detailliert Anleitung, im drögen Alltagsleben unangepasst aus der Rolle zu Fallen und führt seine wahnwitzigen Alltagsparodien dann auch gleich mit pantomischem Einsatz vor.
Meinen Überraschungshöhepunkt erlebe ich direkt dannach mit Carmela de Feo. Die hatte mir zwar lange schon als „La Signora“ unergründlich von ihrem Plakat im Vereinsheim entgegengeblickt, war so aber von mir unvorsichtiger Weise in die „weltschmerzende Toscana-Liedermacherei“ sortiert worden. Werch ein Illtum!! (E. Jandl) Über die Bühne fegt eine perfekt inszenierte akkordeonbewaffnete Chimäre aus dem Ego von Marilyn Monroe, der erotischen Ausstrahlung meiner Handarbeits-Lehrerin, der Musikalität von Astor Piazzola und dem Dialekt einer Oberhausener Frittenbude. Der in der Summe entstehende musikalisch-pornografische Ruhrpott-Brachialnarzismus ist zu allem Überfluss auch noch intelligent gestrickt, entlarvt ganz nebenbei die pseudo-erotisch überreizte Lieblosigkeit der Medienwelt und führt mit der erregten Stalker-Sehnsucht der Signora auch gleich noch den Zwiespalt der Sucht nach Berühmtheit und Begehrtheit vor.
Eine derbe Überraschung muss auch Stephan Zinner wegstecken, der eigentlich als „Zinner & Band“ angekündigt war. Der ausgebrannter Motor im PKW seines anreisenden Bassisten macht ihn spontan wieder zum Solokünstler mit Schlagzeugbegleitung. Dass er auch in dieser Teilbesetzung sofort das Publikum erobert, beweist ebenso seine darstellerische Leistung wie die humoristische und musikalische Kraft der selbst komponierten Lieder.
Dann bin ich an der Reihe, versuche die elf-nullige Rettungsaktion des amerikanischen Finanzministeriums für die armen, Not leidendenden Investmentbanken zu verstehen, gebe ein Paar Börsentips und lasse schließlich einen Wurm im Liebessturm sterben.
Martin Puntigam spurtet zum Schluss aus der Lach&Schieß herüber und berichtet aus seiner Österreichischen Heimat. wobei er virtuos mit den Grundfarben Ekel, Mitleid und Überraschung jongliert.
Dann noch freundliche Gespräche und ein Bier (als Halbe ausgeschenkt, aber vermutlich fast genau so viel drin wie in einem Maßkrug). Schön war’s.