Poesie unter der Pickelhaube

Veranstaltungen am 24. und 26. 9. 2008 / Maxi Schafroth: Faszination Allgäu, Heppel & Ettlich, München

Pickelhaube

Wie, bitteschön, kann ein bäuerlicher Kleinbetrieb im Allgäu wohl von der ach so hippen Delfin-Therapie profitieren? Ganz einfach – die moderne Trend-Quacksalberei muss nur ein wenig an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden – so wie es Maxi Schafroth als dankbarer Innovationslandwirt seinen „Geldgebern“ im Publikum erklärt: Da wird anstelle des Pools einfach eine Güllegrube mit Wasser aufgefüllt, dann mit dem Trecker gutsituierter Bogenhausener Nachwuchs ans Wasser kutschiert und schliesslich der namensgebenden Meeressäuger einfach durch eine robuste Milchkuh ersetzt – fertig ist eine Allgäuer Erfolgsgeschichte.

Die sprichwörtliche Bauernschläue ist es, der Maxi Schafroth in seinem bunten Allgäu-Abend huldigt, indem er seinen Heimat-Landsprich zwar spöttelnd, aber doch immer liebevoll auf der Kabarett-Bühne präsentiert. Die zahlreich im Publikum vertretenen Echt-Allgäuer scheinen Spott und Liebe auch gleichermaßen zu spüren, denn sie amüsieren sich prächtig und klären im Dialog mit der Bühne die unwissenden Städter mit Inbrunst über die Geheimisse der Region auf. Höhepunkt der sympathischen Selbstironie ist Maxi Schafroths Vater, der vom Sohnemann auf der Bühne als cholerisch fluchendes Rumpelstilzchen verkörpert wird, während der der Echte hinten im Saal sitzt und in der Pause als freundlich beredter Gemütsmensch erlebt werden kann.

Allein diese unaufdringlich stolzen Heimatreflexion macht die „Faszination Allgäu“ zu einem Erlebnis. Aber Maxi Schafroth nähert sich den Biotopen aus Bierzelt und Bauernhof musikalisch und in Begleitung an. Da wäre zunächst Marcus Schalck, der als souveräner Begleiter sämtliche Veitstänze auf der Gitarre untermalt. Richtig pompös wird die Musik dann durch Trompete und Posaune der Trachtenformation „Lehler Lackl“, die auch mit Satzgesang einspringt.

Ein weiteres Ereignis im Allgäuer Kosmos ist Rafael Dwinger in der Rolle des singenden Viehhändlers „Sergej“. Der stolpert als Ukrainischer Allgäu-Immigrant durch das Programm, sagt dabei kaum ein Wort mehr als absolut notwendig – und spricht mit seiner Mimik und Gestik doch Bände. Und dann krabbelt Maxi noch auf allen Vieren mit einer jungen Opernsängerin über die Bühne und singt ein opernentlehntes Milchkuh-Duett.

Irgendwo in diesem furiosen Voralpenpanorama soll ich dann auf Wunsch des Protagonisten meinen Platz finden. Wir probieren es mit verschiedenen Konzepten: Am ersten Abend bekomme ich aus dem Fundus der Schafrothschen Preußen-Trash-Soap eine Pickelhaube ausgeliehen und soll dann den integrationsresistenten Zuagroastn geben, für dessen Eingliederung ins bayerische Bühnenleben die Veranstalter sich mit Fördergeldern schmieren ließen.

Mangels irgendwelcher Erfahrung als Pickelhauben-Träger baue ich in der Stellprobe gleich einen dramatischen Unfall: Mit der Haubenspitze bin ich deutlich höher als die Feuerschutztür des Bühnenaufgangs, was einen heftigen Schlag in meinen Nacken, sehr viel Lärm und einen Blechschaden zur Folge hat.

In der ersten Aufführung komme ich dank unmilitärischer Buckelei heil bis ans Mikrofon, ernte dann aber mit meinen Ausführungen über die Vorzüge, die ein „Deutscherrr Schäferrrhund“ gegenüber über dem Bayerischen Dackel („Leberwurst am Abschleppseil“) hat, einiges Erstaunen. In der zweiten Runde probieren wir es pickellos mit einem Stadt-Land-Konflikt und ich starte in der letzten Reihe, um mich mit meiner agoraphobischen Schmähung der „Händchen haltenden Liebespaare“ durch den (trotz Oktoberfest) restlos ausverkauften Saal bis zu Bühne zu brüllen. Was entgegen der gedichteten Handlung ganz reibungslos gelingt, weil sich das Publikum mit angsterfülltem Blick vor mir teilt.

Wie auch immer: Meine gänzlich allgäu-unerfahrenen Agentinnen im Saal schwärmen anschließend in den höchsten Tönen von den Reizen der idyllischen Natur im Allgemeinen (und von Raphael Dwinger im Speziellen); und auch ich bekomme in nett entspanter Runde an der Bar noch manch freundliches Wort zu hören.

Dann aber holt mich die unidyllische Oktoberfest-Realität wieder ein: Mein Taxifahrer donnert mit starrem Blick und verriegelten Türen am Hauptbahnhof durch die Horden der taxiwinkenden Maßkrug-Zombies und besteht darauf, mich am äußersten Ende meiner stillen Seitenstraße abzusetzen, damit die Wiesn-Wiedergänger nicht in erbrecherischer Absicht sein leeres Fahrzeug stürmen.