Scharfe Dichter, wenig Richter: Poetry Slam in Passau.

Veranstaltung am 23.10.2008 / Poetry Slam im ScharfrichterHaus Passau

Im Passauer ScharfrichterHaus hatte ich bei meinem letzten Auftritt im Januar auf der Bühne kaum noch Platz zwischen den dorthin ausgewichenen Publikumsmassen gefunden. Diesmal ist die Saalfüllung nach dem Schema „ein Gast – ein Stuhl“ geradezu gutbürgerlich. Was die Moderatoren sichtlich beunruhigt.

Aber egal: Dichter und Richter gibt es auch diesmal mehr als genug. Den Dichter-Anfang macht das Passauer Slam-Urgestein Norbert Schimmelpfenning mit einer beschaulichen Gespenstergeschichte. Dann legt Daniel Schulze los und liefert ein erschütterndes Geständnis seiner Sucht ab: Er ist schwer obstabhängig; als er dann noch Adolf Hitler als Jean Pütz reinkarniert hat er den Saal ganz auf seiner Seite.

Still wird es dann in Stefan Pongrazs „Die Eisblume“ und Theresas rätselhaftem Kurzgedicht „Der Richter“. Zum Rundenschluss brilliert Sabine Oberpriller in der Rolle der Meerjungfrau, die sich auf ihre Insel geflüchtet hat, um allen Bedrohungen der Welt zu entgehen – und dabei aber eben auch alle Chancen und Herausforderungen verpasst. Der Vortrag gelingt ihr ebenso sprachlich schön wie authentisch. Aber der Saal hat humoristisches Blut geleckt, und so wird Daniel ins Finale durchgereicht.

Bevor es weiterslamt, wird wieder das „Kleinod des Monats“ ausgelobt, ein in Worten unbeschreibliches Poesie-Objekt (siehe Fotos oben) aus wetterfestem Hartplastik. Das Publikum bestimmt per Plädoyer einen Beschenkten – ich komme zum Glück unbeschenkt davon.

Den Auftakt nach der Pause macht Andi Aretzberger – „Schau dich schlau mit Pan Tau“ ist eine tatsächlich schlaue Medienkritik. Erik Weber referiert leicht vergeistigt über „Die Kunst deutscher Sprache“, Sebastian Ihle trägt über das Leben vor. Sebastian Stopfer zeigt dann totalen Sprach- und Körpereinsatz, schreit und stirbt auf der Bühne – bleibt aber mit Themen wie „Saurer Regen“, „Blut“ und „Lebendig begraben“ durchweg düster.

Als allerletzter Kandidat darf schließlich ich auf die Bühne, lese eine Geschichte aus dem neoliberalen Märchenbuch vor und erzähle, weil der Wecker noch nicht klingelt, noch vom tragischen Amseltod eines liebeskranken Wurmes. Dem Publikum gefällts und ich darf gleich übergangslos im Finale weitermachen und den Laubbläser über die Bühne toben lassen.

Bei Co-Finalist Daniel Schulze brechen dann der Protagonist samt Großmutter im Auto nach Österreich auf. Mit Hund. Und Hund kann sprechen. Publikum begeistert. Doppelsieg. Daniel erklärt übrigens auch nach Konsum des Slam-Whiskeys standhaft, nie etwas von Marc Schuster gehört zu haben.

Um meine multimedialen Neigungen auszuleben, habe ich eine billige Kompaktkamera in der Tasche. Die ich nach Betrachten der obigen Fotos übrigens wieder beim Händler zurückgegeben habe.